Verfassungsklagen - Pornographie / virtuelle Kinderpornographie

Geschrieben von Schneeschnuppe am 18. März 2020

Antwort auf Wiedereinführung einer Verfassungsgerichtsbarkeit geschrieben von Danil am 17. März 2020

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Ich hatte ja mal Verfassungsbeschwerden als Methode im Auge.

Geht allerdings aktuell eben nicht, weil die einfach jede Verfassungsbeschwerde, die ihnen nicht politisch in den Kram passt, ohne Begründung ablehnen dürfen.

Wie auch immer, es gibt durchaus auch Nichtpädos, die das ändern wollen. Und wenn sie es erfolgreich ändern könnten, dann wäre das Verfassungsgericht plötzlich wieder eine Möglichkeit, die offensichtlich verfassungswidrigen Gesetze gegen uns anzugehen.


Ich glaube nicht, dass da das Problem liegt, bzw. das man das Problem dadurch beheben könnte, dass abgelehnte Fälle begründet werden müssen.

Verfassungsbeschwerden müssen, hohe Anforderungen inbesondere an die Begründung (z.T. aber auch Fristen und ähnliches) erfüllen, um Aussicht auf Erfolg zu haben.

Wenn man in einem Verfahren ist, das möglicherweise am Ende eine Verfassungsbeschwerde erfordert, dann muss man das von Beginn an mitdenken. Besser ist es, wenn sich bereits vor dem ersten Schuß den richtigen Fall sucht (strategische Prozeßführung).

Wenn man in eine juristische Schlacht zieht, muss man die Siegbedingungen kennen und die Rahmenbedingungen optimieren (also bezogen auf den Kriegsvergleich das Terrain, die Uhrzeit, das Wetter, etc. nutzen).

Ein Beispiel für eine Regelung, die viele (von uns) für offensichtlich verfassungswidrig halten, ist das Pornographieverbot. Begründung ist, dass es gegen das Bestimmtheitsgebot des Grundgesetzes verstößt.

Man könnte also eine Beschwerde beim Verfassungsgericht einreichen. Die würde dann mit an Sicherheit grenzender Wahscheinlichkeit abgeleht werden.

Das Verfassungsgericht hat sich in der Vergangenheit nämlich schon mit dem Bestimmtheitgebot beschäftigt und dabei die Anforderungen definiert, die erfüllt sein müssten.

Siehe BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. September 2009 - 1 BvR 1231/04 -, Rn. (1-11), dort Randnotiz 9. Zitat:

c) Auch der gerügte Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG ist in keiner der Verfassungsbeschwerden schlüssig dargetan. Das Bundesverfassungsgericht hat sich bereits mehrfach mit (strafbewehrten) Verbotsvorschriften befasst, die den auch hier in Frage stehenden Begriff der Pornografie als Tatbestandsmerkmal enthielten, und sie als hinreichend bestimmt erachtet (vgl. BVerfGE 47, 109 (120 ff.); 83, 130 (145); BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 12. August 1977 - 1 BvR 237/76 -, NJW 1977, S. 48; Beschluss des Vorprüfungsausschusses des Zweiten Senats vom 8. April 1982 - 2 BvR 1339/81 -, NJW 1982, S. 1512). Eine erneute verfassungsgerichtliche Überprüfung einer solchen von dem Bundesverfassungsgericht bereits entschiedenen Frage ist zulässig, sofern neue rechtserhebliche Tatsachen gegen die tragende Feststellung des Bundesverfassungsgerichts vorliegen, die eine andere Entscheidung rechtfertigen können (vgl. BVerfGK 3, 270 (271 f.) m.w.N.). Dies ist hier nicht ersichtlich. Die Verfassungsbeschwerden setzen sich mit der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht auseinander und zeigen weder auf, dass die dortigen Erwägungen in dem hier in Frage stehenden Kontext nicht zuträfen noch dass veränderte Umstände einem Festhalten an dem damals gefundenen Ergebnis entgegenstünden.


Unter den aktuellen Voraussetzungen wäre ein Gang zum Verfassungsgericht zu diesem Thema deshalb mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Scheitern verurteilt.

Wenn man die Frage trotzdem verfolgen will, muss man sich sehr genau mit der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichts auseinandersetzen, die Pornografie für hinreichend bestimmt erachtet.

Den meisten Leute, die Verfassungsbeschwerden auf den Weg bringen, bekommen die notwendige Vorarbeit nicht hin. Sie interessieren sich nur für das eigene wahrgenommene Unrecht und nicht für Rahmenbedingungen, wie die bisherige Rechtsprechung. Das ist zwar nachvollziehbar, aber nicht effektiv.

Ich habe zum Thema virtuelle Kinderpornographie übrigens bereits einmal Kontakt zum Verfassungsrechtler einer Bürgerrechtsorganisation gehabt. Nachdem ich ihm hierzu meine Sichtweise geschildert hatte, kam folgendes Feedback:

Wir halten es durchaus für möglich, dass die von Ihnen geschilderte Gesetzeslage Sie in Ihren Grundrechten verletzt. Aus – im Wesentlichen – zwei Gründen können wir Ihr Anliegen dennoch nicht unterstützen:

Wir haben erstens große Zweifel, dass das Verbot virtueller Kinderpornografie erfolgreich vor dem Bundesverfassungsgericht angegriffen werden kann.

Dass sich das Gericht aus Angst vor einem Ansehensverlust vor der Nichtigerklärung eines solchen Verbots scheuen könnte, ist nur ein untergeordneter Aspekt.

Einer Nichtigerklärung stünde wohl entgegen, dass die Verfassungsgerichtsbarkeit dem Parlamentsgesetzgeber zur Wahrung der Gewaltenteilung bei uneindeutigen Sachverhalten einen großen Einschätzungsspielraum gewährt.

Sie nennen zwar eine Schweizer Studie, die keinen Zusammenhang zwischen Konsum und Missbrauch ermittelt hat. Wir vermuten aber, dass bei einer solch sensiblen Frage das Bundesverfassungsgericht ein hohes Maß an Evidenz verlangen würde, und sich daraufhin auch andere Studien finden werden, die Zweifel am Ergebnis der Schweizer Studie säen. Im Zweifel aber würde das Bundesverfassungsgericht die Frage dem Gesetzgeber überlassen.

Weil wir Fälle nur bei überwiegenden Erfolgsaussichten übernehmen, können wir einen auf Feststellung der Verfassunwidrigkeit des Verbots gerichteten Fall schon deshalb nicht unterstützen.

Ehrlicherweise kommt aber hinzu, dass wir uns mit einem solchen Fall auf sehr dünnes Eis begäben. (Für unsere Oganisation könnte ein) "Kampf für virtuelle Kinderpornos" (so oder ähnlich würde es wohl tituliert) schnell existenzbedrohend werden.


Schlußfolgerungen:

1. Das Gericht ist ein Spiegel der Gesellschaft.

1957 hat das Bundesverfassungsgericht den Paragrafen 175 des Strafgesetzbuches, der damls noch jede männliche Homosexualität unter Strafe stellte, für verfasungskonform gehalten, obwohl schon der Gleichheitssatz des Artikels 3 GG dem Paragrafen 175 StGB entgegenstand, da dieser ausschließlich männliche Homosexualität unter Strafe stellte, während der Gleichheitssatz Benachteiligungen wegen des Geschlechts verbietet.

Aus heutiger Sicht ein Schandurteil. Aber es spiegelte die damalige gesellschaftliche Stimmung wieder.

Ein Urteil zugunsten von Pädophilen würde in der Bevölkerung auf Unverständnis stoßen. Das macht den Erfolg schwieriger. Statt das zu bejammern (was ich durchaus vertretbar finde) sollte man diese "ungünstige Terrain" erkennen und bei seinen Planungen berücksichtigen.

Man braucht also möglichst einen Fall, bei dem ein Durchschnittsbürger wenigstens die Möglichkeit erkennt, dass juristisch etwas schief gelaufen ist und ein ungerechtes oder unverhältnismäßiges Urteil korrigiert werden muss.

2. Zur Wahrung der Gewaltenteilung lässt das Verfassungsgericht dem Gesetzgeber bei uneindeutigen Sachverhalten einen großen Einschätzungsspielraum.

Wenn man Erfolg haben will, muss man einen eindeutligen Sachverhalt haben. Also erstmal wissenschaftliche Studien recherchieren und zwar auch diejenigen, die die Gegenseite anführen könnte und dann prüfen, ob man die Hürden nehmen kann. Wenn die Studienlage das nicht hergibt, kann man überlegen, ob sich das ändern lässt. Wenn beides nicht geht, lässt man es besser.


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